Offener Brief an Frau Dreyer, Frau Dr. Hubig, Herrn Linnertz, Herrn Gies, Herrn Ingendahl und Herrn Graf von Plettenberg

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Sehr geehrte Frau Dreyer,
Sehr geehrte Frau Dr. Hubig,
Sehr geehrter Herr Linnertz,
Sehr geehrter Herr Gies,
Sehr geehrter Herr Ingendahl,
Sehr geehrter Herr Graf von Plettenberg,

die Schließung des Franziskus Gymnasium Nonnenwerth sorgt weiterhin für viele Schlagzeilen. Entrüstung, Unverständnis und Unterstützung wurde bereits im Herbst des vergangenen Jahres von allen Seiten öffentlich geäußert. Es wurden Versprechen gemacht, dass für alle betroffenen Schüler und Lehrer Lösungen gefunden werden und dass daran schon gearbeitet wird. Dafür bin ich sehr dankbar, bitte nicht falsch verstehen. Rettungsangebote von politischer Seite sind beruhigend und als reine Notfalllösung nötig und in Ordnung. Aber m. E. muss es mehr als reine Lippenbekenntnisse, Entrüstung und Unverständnis geben. Wie sollen wir unseren Kindern vermitteln, was Werte und Recht sind, wenn hier jetzt nicht von öffentlicher Hand beherzt eingegriffen wird? Wir benötigen dringend Ihrer aller gemeinsamer Unterstützung, denn allein als Eltern und Lehrer kommen wir nicht weiter.

Niemand hätte gedacht, dass eine Schulschließung des Franziskus Gymnasiums Nonnenwerth je zur Debatte stehen könnte. Im Januar 2020 wurde uns allen öffentlich kommuniziert, dass die Insel samt der Traditionsschule den Besitzer wechseln würde. „Mit dem erzielten Ergebnis haben wir die Grundlagen für eine gute Zukunft sowohl für uns Schwestern wie für die Schule geschaffen“, hieß es von Seitens des Ordens der Franziskanerinnen von Nonnenwerth. Den Eltern und Lehrern wurde versichert „Wichtig ist, dass die Zukunft des Gymnasiums langfristig gesichert ist, sich zunächst alle Seiten kennenlernen, gemeinsame Gespräche führen und die Zukunft der Insel gemeinsam planen.“ … „Das Gymnasium auf der Insel Nonnenwerth bleibt eine christliche Schule mit franziskanischen Wurzeln. Die christlichen Wertevorstellungen und die Franziskanischen Leitlinien von 1996 gelten weiterhin, die Traditionen werden fortgeführt. Die Schulgemeinschaft bleibt mit den Franziskanerinnen des Inselklosters verbunden, solange es möglich ist.“

Das alles ist nun keine zwei Jahre her. Die angestellten Lehrer und das angestellte Personal haben bereits im November die Kündigungen erhalten. Wir als Eltern haben in den letzten Tagen die Kündigung der Schulverträge von Herrn Soliman zugestellt bekommen. Dort steht geschrieben: „…, dass infolge der behördlichen Nutzungsuntersagung das Franziskus Gymnasium leider mit dem Ende des Schuljahres 2021/2022 geschlossen werden muss. Damit endet der mit Ihnen bestehende Schulvertrag automatisch. Der guten Ordnung halber kündigen wir hiermit rein vorsorglich den mit Ihnen bestehenden Schulvertrag zum Ende des Schuljahres 2021/2022.“ Dazu habe ich folgende Frage: Gibt es diese behördliche Nutzungsuntersagung überhaupt? Meines Wissens nach kann der Träger die befristete Duldung, die ihm für dieses Schuljahr 2021/22 erteilt wurde, auch für nächstes Schuljahr beim Kreis Ahrweiler beantragen. Und zur Schulschließung im Sommer letzten Jahres kam es meines Wissens nach aufgrund einer Selbstanzeige von Herrn Soliman, in der auf ein Brandschutzproblem mittels einer „Brandschutztechnischen gutachterlichen Äußerung“ hingewiesen wird. Auch hier habe ich eine Frage: Wenn schon kein Gutachter, der von den Eltern beauftragt wurde (trotz öffentlicher Unterstützung des Bürgermeisters und anderen Beteiligten, die an den Verhandlungen teilgenommen haben), sich einen Eindruck vor Ort verschaffen kann, warum kann der Kreis Ahrweiler selbst denn niemanden schicken, der dem Brandschutzproblem auf dem Grund geht und von seiner Seite her ein echtes Gutachten erstellt, von dem wiederum aus dann echte Kostenschätzungen erstellt werden können? Warum ist das nicht möglich und noch nicht erfolgt? Ich weiß, dass die Insel Privatbesitz ist, aber auf ihr wird eine Schule betrieben und das ist von öffentlichem Interesse und hier geht es zudem um den Schutz von ein paar hundert Menschen. Da muss es meines Erachtens doch Mittel und Wege geben, denen sich auch ein Herr Soliman nicht entziehen kann. Dann könnten auch mal von offizieller Seite die echten Kosten für den Brandschutz genannt werden und somit stünden vielleicht auch neue Lösungswege offen.

Wie Herr Soliman in seinem Interview vom 12.11.2021 im General Anzeiger sagte: „Eigentum verpflichtet.“ Dazu gibt es im Grundgesetz Artikel 14, Absatz 2 eine Ergänzung: „Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Und in Absatz 3 heißt es: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“

Nachdem wir nun als Eltern die Kündigung der Schulverträge bekommen haben, könnten wir uns nun schon mal prophylaktisch auf die Suche nach einer geeigneten Ersatzschule machen. Allerdings ist dies nicht einfach. Mein ältester Sohn ist mit Latein als 1. Fremdsprache gestartet und in G8 gibt es dafür keine Schule im Umfeld. Also müsste er im schlimmsten Fall, also im Falle der Schulschließung, auf ein G9-Gymnasium wechseln und wenn es da keine Schule im Umfeld gibt, die Latein als 1. Fremdsprache anbietet, sogar noch ein Jahr wiederholen, da er in Englisch ein Schuljahr hinterher ist. Für meine Tochter im bilingualen Zweig Englisch käme das Are-Gymnasium in Frage. Ein Gymnasium, das durch die Flut zerstört wurde und nun auf Container ausweichen musste und den neuen Standort jetzt in der Grafschaft Ringen hat. Mein jüngster Sohn hat ebenfalls die Zusage für Nonnenwerth bekommen und wie finde ich nun eine Schule für alle drei, damit man allen dreien gerecht wird? Ich bin berufstätig und dachte bisher, dass ich, wenn alle Kinder auf dem Gymnasium sind, auch meine wöchentliche Arbeitsstundenzahl erhöhen könnte, aber wenn ich dann mit Fahrdiensten zu mehreren Schulen beschäftigt sein sollte, wie soll es gehen? Dazu kommt die Sorge um den Arbeitsplatz meines Mannes. Der ist zwar Landesbeamter, aber wohin wird er versetzt werden? Können wir dann als Familie unter der Woche überhaupt zusammenbleiben oder muss ich den Alltag mit Kindern dann allein stemmen? Ein Umzug ist prinzipiell möglich, aber wir haben hier ein Haus. Und würde ein Umzug die Kinder nicht noch zusätzlich belasten? Das sind alles Sorgen und Nöte, die mich umtreiben und mir schlaflose Nächte bereiten. Und das wird sicherlich nicht nur mir so gehen. In fast jeder Klassenstufe gibt es eine Lateinklasse (1. Fremdsprache) und eine bilinguale Klasse gibt es in jeder Klassenstufe. Und was ist mit den 10. und 11. Klassen und mit den von ihnen gewählten Leistungskursen? Wie wollen da adäquate Lösungen/Angebote auf beiden Rheinseiten/Bundesländern für alle geschaffen werden? Und was würden diese Lösungen den Staat kosten?

Und was ist mit den gekündigten Lehrern und deren Familien? Sind die Kündigungen nun rechtens oder nicht? Die Verunsicherungen auf allen Seiten (Lehrer, Personal, Schüler und Eltern) sind groß und wie lange soll man diesen Umstand noch ertragen auch gesundheitlich? Wie lange werden die angestellten Lehrer noch bleiben, denn einigen wurde schon zu Ende März gekündigt? Warum können nicht schneller tragfähige Lösungen für alle gefunden werden – im Optimum ein Erhalt der Schule wie noch vor zwei Jahren von allen Seiten versprochen?

Abgesehen davon, dass der Kreis Ahrweiler ohnehin schon ein riesengroßes Schulproblem nach der schrecklichen Flutkatastrophe hat: wie soll man den 500 Schülern und deren Eltern, knapp 70 Lehrern und deren Familien, dem Verwaltungs-, Küchen- und Fährpersonal und deren Familien erklären, dass diese Schließung rechtens ist? Ich weiß es ehrlich nicht. Dieser Gedanke erschüttert ernsthaft mein Vertrauen in den Rechtsstaat und in ein Deutschland, in dem Bildung ein hohes Gut ist. Und wie bitte soll es dann erst jungen Menschen gehen, den Schülerinnen und Schülern und deren Geschwistern, die gerade dabei sind, dieses Vertrauen für sich aufzubauen und zu bilden? Dieses Unverständnis kommt auch gut in den Kommentaren zur Petition unter https://www.change.org/p/land-rheinland-pfalz-rettet-nonnenwerth-helfen-sie-die-historische-inselschule-vor-dem-aus-zu-bewahren/c zum Ausdruck und zeigt, dass es nicht nur den unmittelbar Betroffenen so geht, sondern vielen, die wir über die Medien auf diese Umstände aufmerksam gemacht haben. Und deshalb äußere ich die inständige Bitte an die zuständigen Politiker, Behörden und kirchlichen Vertreter, dass hier mehr gemeinsam getan wird und auch alle möglichen juristische Schritte ernsthaft geprüft werden.

Denn wie der Philologenverband in seiner Pressemitteilung vom 15.11.2021 äußerte: „Es darf nicht sein“, so Landesvorsitzende Cornelia Schwartz, „dass unter dem Druck von Renditeerwartungen etablierte und über die Region hinaus profilierte Gymnasien geschlossen werden und Schülerinnen, Schüler, aber auch Lehrkräfte die Leidtragenden entsprechender Finanzspekulationen sind.“ Der Philologenverband macht sogar den Vorschlag einen Bildungsfonds für solche Fälle einzurichten:
„Damit sich Zitterpartien wie die derzeitige in Zukunft nicht wiederholen, dringt der Philologenverband Rheinland-Pfalz darauf, dass die Landesregierung zügig einen Bildungsfonds einrichtet, aus dessen Vermögen die Trägerschaft von in den nächsten Jahren zum Verkauf stehenden privaten Schulen finanziert werden kann.“

Und da stellt sich mir die alles entscheidende Frage: Muss das Franziskus Gymnasium Nonnenwerth und seine fast 170-jährige Tradition erst untergehen, bevor entschlossen gemeinsam von öffentlicher Seite her gehandelt wird und alle Möglichkeiten ausgelotet werden, auch juristischer Natur? Oder wird erst dann gehandelt, wenn es bereits zu spät ist und muss es erst traurige Realität werden? Ich hoffe nicht, denn wie die gesamte Schulgemeinschaft, glaube ich an das Gute und an das Rechtssystem in Deutschland und an die Möglichkeit einer ethischen Wirtschaft (wie es auf Nonnenwerth gelehrt wird). Wir hoffen alle, dass es uns mit Ihrer aller Hilfe und Unterstützung gelingen wird, das Franziskus Gymnasium Nonnenwerth und seine beispiellose Gemeinschaft für viele weitere Generationen als Schule zu erhalten. Ich hoffe meinen Kindern das auch beweisen zu können, denn dass diese Schulschließung rechtens sein soll, da fehlt mir ehrlich gesagt die Fantasie, dies meinen Kindern glaubhaft zu erklären.

Mit freundlichen und hoffnungsvollen Grüßen

Jutta Kress aus Remagen

PS: Um Antwort wird gebeten.

2 Kommentare

  1. Hallo Frau Kress,
    als ehemaliger Nonnenwerther Lehrer und Kollege Ihres Mannes spüre ich aus Ihrem Beitrag, wie sehr Sie als betroffene Familie zusammen mit Ihren Kindern an der Situation leiden: der aus Profitinteresse versuchten Zerstörung einer großartigen, traditionsreichen Schule. Ich stehe solidarisch an Ihrer, wie an der Seite der ganzen kämpfenden Schulgemeinschaft. Es zeichnet sich mit wachsendem Widerstand und der jetzt sogar bundesweit zunehmenden Unterstützung ab: Nonnenwerth kann gerettet werden!

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