Am Weltfrauentag: Offener Brief an Franziskanerinnen-Oberin Sr. Maria

(c) pixabay.com

Sehr geehrte Schwester Maria,

heute am Weltfrauentag wende ich mich mit diesem Brief an Sie und Ihre Mitschwestern, um einmal persönlich „Danke“ zu sagen! Danke, für die jahrzehntelange Arbeit zum Wohl so vieler Schülergenerationen, die ihre Schulzeit auf Nonnenwerth verbringen durften! Schülerinnen und Schüler, die Jahre nach ihrem Abitur noch gerne auf die Insel zurückkommen und rückblickend häufig mit leuchtenden Augen über ihre Schulzeit dann sprechen (manchmal sind das dieselben Schüler, die einem in der Mittelstufe so manches graue Haar haben wachsen lassen…). Einige von ihnen heiraten hier sogar, d.h. sie verknüpfen ihre Schulzeit für immer mit dem Rest ihres Lebens. Mir wäre es nie in den Sinn gekommen, in meiner alten Schule zu heiraten!

Aber den hohen Stellenwert nimmt Nonnenwerth nicht nur für sehr viele SchülerInnen, sondern genauso für viele LehrerInnen ein. Mein Vorgänger, Harald Zerbe, kam aus dem Schwärmen über die Schule und das Kloster bei unserem ersten Treffen gar nicht mehr raus und entschuldigte sich förmlich bei mir, dass er nun aber – der Familie wegen – eine Stelle in seiner Heimatstadt angenommen habe. Dazu muss man wissen: er wohnte in Mainz…

D.h., er fuhr über eine lange Zeit fast jeden Tag zwei Stunden zur Arbeit hin und dann auch wieder zurück – wenn er nicht nach langen Schultagen Obdach im Kloster fand, wie er mir schmunzelnd sagte.

Dass jemand das auf sich nahm, um an „Ihrer“ Schule zu unterrichten – darauf können Sie wirklich stolz sein! Vorbildlich bezuschussten Sie und Ihre Mitschwestern dazu den laufenden Schulbetrieb so, dass die Eltern jahrelang nur 60€ pro Kind im Monat als freiwillige Spende zahlen sollten – ein tolles Angebot, wenn man bedenkt, dass man für diesen Preis heutzutage noch nicht einmal einen Handwerksmeister bekommt – pro Stunde!

Schwester Theresa steht für mich sinnbildlich für das, was Nonnenwerth auszeichnet: morgens begrüßte sie einen mit einem fröhlichen „Guten Morgen“ an der Pforte,  mittags verkaufte sie einem noch schnell ein Essensmärkchen, auch wenn man die Vorbestellung mal wieder vergessen haben sollte, nachmittags lieh sie einem bei Regen einen Regenschirm, damit man auch gut behütet den „langen Weg“ bis zur Fähre bestreiten konnte und abends ging sie nach Konzerten noch durch das Schulgebäude, um auch das letzte Licht zu löschen. Dazu war sie immer für einen kleinen Spaß zu haben – sagte aber auch geraderaus, wenn ihr etwas nicht passte.

Was würde sie wohl über die Zustände sagen, die sich seit Sommer auf der Insel abspielten? Sicherheitspersonal auf den Fähren, ein Umgangston, der so gar nicht christlich anmutet, dazu Wachhunde auf der Insel, die ihren Zwinger direkt neben dem Inselfriedhof haben, auf dem viele Schwestern ihre letzte Ruhestätte fanden… ich denke, sie würde sich im Grabe herumdrehen!

Das, was Nonnenwerth aber nach wie vor ausmacht, ist das gegenseitige Um-sich-kümmern. Sind die Nachrichten auch noch so trüb, wir versuchen füreinander da zu sein – Schüler für Schüler, Lehrer für Schüler, Eltern für Lehrer, Ehemalige für Eltern… Das ist Ihr franziskanisches Erbe! Sie hätten in den vergangenen Jahren einmal erleben müssen, mit welcher Begeisterung die SchülerInnen jedes Jahr im November sich an die Gestaltung des Adventskalenders für die Schwestern machten. Welche kreativen Ideen, Sorgfalt und Fürsorge dann in den Klassenzimmern herrschten, wo es sonst auch mal lauter zugehen konnte.

Dieses großartige Erbe ist nun aber akut in Gefahr! Ich möchte rückblickend gar nicht fragen, was alles bei dem Verkauf eventuell schiefgelaufen ist, wer Sie wann vielleicht falsch beraten hat oder welche Argumente für diesen scheinbar „einfachen Weg“ sprachen! Nur: „einfach“ heißt im Leben nicht immer „gut“!

Wieso wurden im Januar 2020 alle Verantwortlichen nach Geheimverhandlungen vor vollendete Tatsachen gestellt?

Wieso wurde kein Träger gesucht, der sich verbindlich verpflichtete, die Schule im franziskanischen Sinne für die nächsten Jahre weiterzuführen?

Hatten Sie so wenig Vertrauen in die Schulgemeinschaft, um sie in diesen Prozess aktiv einzubinden?

Eine der berührendsten Geschichten für mich in der Bibel ist die Erzählung vom „verlorenen Sohn“. Ein Sohn ließ sich vorab das Erbe auszahlen und kam im Gegensatz zu seinem Bruder etwas vom Weg ab, verprasste das Geld seines Vaters aber wurde am Ende trotzdem freudig zu Hause wieder willkommen geheißen.

Vielleicht kann diese Erzählung nun um eine moderne Variante der „verlorenen Schwester“ erweitert werden? Geld haben Sie persönlich nun wirklich nicht verprasst, jedoch einen Großteil des franziskanischen Erbes auf der Insel und jede Menge an Vertrauen. Vertrauen, gerade in der heutigen Zeit, auch in die Institution „Kirche“.

Erzählten Sie bei den gemeinsamen Weihnachtsfeiern uns nicht häufig begeisternd vom „Weihnachtswunder“: dass Gott eben seinen Sohn geschickt habe um uns auf Augenhöhe zu begegnen und nahbar zu sein? Gott ist Mensch geworden und Menschen machen nun einmal Fehler, ja – sie dürfen auch Fehler machen. Gott sei Dank! Nur müssen sie auch zu ihnen stehen…

Schwester Maria, flüchten und verstecken Sie sich nicht länger, sondern stehen Sie zu „Ihrer“ Insel und „Ihrem“ Franziskus-Gymnasium! Es ist dafür noch nicht zu spät und Sie können sich doch nicht nun bis an Ihr Lebensende hinter dicken Klostermauern verstecken! Und wenn Berater Ihnen davon abraten sollten, dann tauschen Sie sie doch vielleicht einfach einmal aus. Geschäftsführer oder Verwaltungsdirektoren kommen und gehen – Ihre Verantwortung jedoch bleibt! Die Schülerinnen und Schüler würden Sie und Ihre Mitschwestern mit offenen Armen wieder aufnehmen! Der Name des Eilands verrät es doch schon: es ist ohne „Nonnen“ einfach nichts „wert(h)“!

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Roth  

2 Kommentare

  1. Ich bin sehr berührt von diesem Brief! Hoffentlich erweicht er auch die Herzen der Schwestern, damit sie sich ihrer Verantwortung bewusst werden!

  2. Leider wird auch dieser Brief die Verantwortlichen nicht berühren oder rühren- so gut er auch geschrieben ist. Die anderen Schwestern werden ihn nicht zu lesen bekommen. Wenn man sogar die Briefkästen zukleben lässt,damit keine unzensierte Post mehr an eine der Schwestern kommen kann, verfährt man/frau nach der Devise „nichts hören, nichts sehen, nichts sagen- und nichts wissen wollen/sollen“. Was würde Franziskus dazu sagen?

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*